Donnerstag, 1. Dezember 2016

Frauen und ihre Rechte in Indien und der ganzen Welt / Women and their rights in India and the whole world

Anlässlich unseres Interproject Visits, den wir in der letzten Woche nach Hyderabad zu der NGO Bhumika Women’s Collective (http://www.bhumikawomenscollective.com/) unternehmen durften, möchten wir gerne einen Beitrag zum Thema Frauen mit euch teilen. Bhumika ist eine Organisation, die sich für die Rechte und das Wohl von Frauen und Mädchen in den Staaten Telangana und Andhra Pradesh einsetzt und durch die Tage, die wir mit Gina und Donata, den Freiwilligen dort, verbracht haben, haben wir einen ganz neuen Zugang zu diesem Thema bekommen, dass besonders uns als Frauen betrifft.
Bhumika hat im Jahre 1993 als feministische Zeitung angefangen, doch als sich immer wieder Frauen in Notsituationen bei ihnen meldeten, weiteten sie ihre Tätigkeit aus und richteten eine Helpline ein, die 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche kostenlos für alle erreichbar ist. Während dieser Zeit begann die Organisation auch ihr Netzwerk zu anderen NGOs sowie zu Einrichtungen der Regierung und der Polizei auszubauen und hat sogenannte Support Center initiiert, in denen Frauen jeden Alters und jeder gesellschaftlichen Schicht sowohl seelische als auch juristische Unterstützung bekommen können.
Das Ziel der Organisation ist es, die Lebenssituation der Frauen und Mädchen zu verbessern und ihnen zu ermöglichen, ihre Rechte auszuleben. Frauen sind noch immer nicht gleichberechtigt und leiden unter dem patriarchalischen System, in dem Männer die dominante Stellung einnehmen und so müssen Frauen Gewalt und Diskriminierung über sich ergehen lassen. Bhumika hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, sowohl direkte Unterstützung (Beratungsgespräche, Hilfe in Notfallsituationen, Bereitstellung von Plätzen in Frauenheimen) als auch indirekte Hilfe in Form von „Awareness Programs“ bereitzustellen. Sie versuchen das Bewusstsein der Gesellschaft dahingehend zu verändern, dass endlich klar wird, dass Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer und ebenso die Möglichkeit haben sollten, ihr Leben zu gestalten, wie sie es möchten.

Die gesetzliche Grundlage für Frauenrechte in Indien ist fortschrittlich. Frauen gelten vor den Gerichten des Landes als komplett gleichberechtigt und doch greifen diese Gesetze nicht immer, sogar eher selten. Es gibt spezielle Gesetze, die den Umgang mit Fällen häuslicher Gewalt genau vorgeben, es gibt Begriffserweiterungen zum Thema Vergewaltigung und doch sind es gerade diese Punkte, unter denen Frauen noch am meisten leiden. Mindestens die Hälfte der Anrufe, die täglich bei Bhumikas Helpline eingehen, haben mit häuslicher Gewalt zu tun, so die Direktorin. Die gute gesetzliche Struktur vermag es also nicht, die tatsächliche Situation zu ändern, ist aber ein guter Ansatz.

Ein weiterer Punkt mit dem wir uns befasst haben, ist der „Kreislauf der Unterdrückung“, dem Mädchen auf der ganzen Welt, aber besonders hier in Indien unterliegen. Dieses Modell stellt wie alle Modelle verallgemeinerte Verhältnisse da. Das heißt, dass nicht alle Inderinnen Diskriminerung in dieser Art und Weise erfahren, aber sich Züge davon im Leben einer Mehrheit von Frauen in Indien und anderswo finden lassen.
Die Benachteiligung beginnt schon vor der Geburt, denn es ist noch immer weit verbreitet, das Geschlecht des Kindes bestimmen zu lassen und es zu töten, wenn es ein Mädchen ist. Die Frühbestimmung des Geschlechtes ist hier in Indien verboten, wird aber dennoch häufig praktiziert.
Wird das Mädchen trotzdem geboren, hat sie mit spezifischen Problemen in der Kindheit zu kämpfen. Sie bekommt oft weniger Essen, muss schon sehr früh im Haushalt helfen und ihr wird der Zugang zu Bildung verwehrt, obwohl auch dies gesetzlich festgeschrieben ist. Kommt sie in die Pubertät, wird ihre erste Periode gefeiert. Sie gilt jetzt als geschlechtsreif und damit als „verheiratbar“. Frauen ist es während ihrer Periode untersagt, in den Tempel oder die Küche zu gehen und das Ganze wird meist als Tabuthema angesehen. Selbst in liberalen, modernen Familien ist dies oft noch ein großer Konflikt.
Ein kleiner Einblick in die Rituale einer Maturity Function / A small glimpse of the rituals perfromed during a maturity function
Ein immenses Problem, dem sich auch Bhumika in einem Projekt annimmt, ist die Zwangsverheiratung von minderjährigen Mädchen, welches gesetzlich verboten ist. Ein großer Teil des Problems ist die Mitgift, also der finanzielle Beitrag, den die Familie des Mädchens an die Familie des Bräutigams zahlen muss, denn diese ist oft so hoch, dass es eine unglaubliche Belastung für die Eltern des Kindes darstellt. Dies ist einer der Gründe, warum Mädchen ihr Leben lang als Bürde gelten. Häufig werden hohe Geldbeträge, Schmuck, Nutztiere wie Kühe oder Ziegen oder sogar Autos verlangt, was die Familien oft in den finanziellen Ruin treibt. Die Verheiratung des Mädchens bedeutet für ihre Familie, dass sie von nun an in eine andere Familie gehört. Sie hat jetzt die typische Rolle der Frau zu erfüllen. Sie kocht, putzt, kümmert sich um den Ehemann und dessen Schwiegereltern (die im Normalfall im gleichen Haushalt wohnen) und später um die Kinder. Oft brechen diese Mädchen die Schule oder Ausbildung ab und haben so keine Chance mehr, Unabhängigkeit zu erreichen.
Während unseres Aufenthalts bei Bhumika haben wir erfahren, dass viele Schwiegereltern den Frauen große Probleme bereiten. Sie werden zum Teil als eine Art „Hausmädchen“ betrachtet und müssen mit viel Gewalt umgehen. In extremen Fällen stellt die Organisation für diese Frauen Plätze in Frauenhostels zur Verfügung und meistens gibt es auch die Möglichkeit, die Kinder mit unterzubringen. Sie bekommen dort seelische Unterstützung, Essen und Trinken und oft auch berufliche Unterstützung in Form von Skill Building Trainings, in denen spezielle Fähigkeiten geschult werden, um ihnen Unabhängigkeit von der Familie zu ermöglichen.

Unser Interproject Visit in diese unglaublich inspirierende Organisation hat uns das Thema Frauenrechte sehr viel nähergebracht. Wir hatten die Möglichkeit unseren Gedanken zu folgen und führten viele angeregte Diskussionen.
Wir sind Frauen und doch wissen wir so wenig über die gesetzlichen Grundlagen, die uns dienen sollen, so wenig über das System, in das wir eingespannt sind und so wenig über unsere zugewiesene Rolle in der Gesellschaft. Auch wenn wir das Glück hatten in einem freien Land wie Deutschland aufzuwachsen, wurden wir von den Erwartungen an die "Rolle der Frau" in der Gesellschaft beeinflusst, vor allem durch die Medien. Wir unterliegen dem Druck „perfekt“ zu sein. Wir sind Hausfrau, Mutter, Großmutter, Karrierefrau, Freundin. Aber auch Männer und Jungs haben mit gesellschaftlichem Druck zu kämpfen, auch sie leiden oft darunter maskulin und stark sein zu müssen, auch sie haben Rollen zu erfüllen.
Aber warum? Warum unterliegen wir den Erwartungen von einigen wenigen, die durch die Medien, unser Bildungssystem sowie unser politisches System an den Mainstream weitergetragen werden? Warum lassen wir andere entscheiden, was richtig oder falsch für uns ist?

Es ist so wichtig, sich all diese Fragen zu stellen und zu schauen, wie wir diese Umstände, die uns alle in Schubladen stecken, uns Möglichkeiten verwehren und im schlimmsten Fall zu Gewalt, Missbrauch und Leid führen, ändern können, denn Frauenrechte sind Menschenrechte und betreffen jeden. Nicht nur Mädchen, auch Jungs. Nicht nur Frauen, auch Männer. Jeden. Uns ist klargeworden, wie wichtig es ist, dass Organisationen wie Bhumika einen so großen Beitrag leisten Situationen, in denen sich Millionen von Frauen befinden, zu ändern, aber uns ist auch klargeworden, dass es noch ein weiter Weg ist, bis Gleichberechtigung von Mann und Frau keine Vision mehr ist, sondern Realität. Jede(r) von uns muss sich selbst fragen, inwiefern sie/er in dieses patriarchalische System eingebunden ist und inwiefern sie/er es sein möchte.
Wie wichtig ist es dir, selbst wählen zu können, was du anziehst, was du sagst, wohin du gehst und wer du sein möchtest?
Werd’ aktiv und sei der Grund, weshalb diese Freiheiten allen Menschen auf der Welt zugänglich sind. Veränderungen in der Gesellschaft passieren durch die Veränderung der Werte in dir selbst. Also sei mutig und denk für dich selbst, hinterfrage, diskutiere und dann...bilde dir eine eigene Meinung. Eine eigene Vorstellung von Schönheit und Freiheit. Lass dich nicht von gesellschaftlichen Zwängen einschränken, sondern stehe dafür ein, dass du deine Rechte und Möglichkeiten ausleben kannst.
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Last week we went to Hyderabad for our Interproject Visit and got to learn about the NGO Bhumika Women’s Collective (http://www.bhumikawomenscollective.com/), which inspired us to share a post about women.
Bhumika is an organization that advocates for women’s rights and works to increase the situation of women and girls in the states of Telangana and Andhra Pradesh. The days we spent at Bhumika with the volunteers Gina and Donata gave us a new insight into this topic, which heavily affects us as women.
Bhumika started as a feminist magazine in 1993 but soon started receiving requests from many women in emergency situations, which led them to expand their field of activities and to start a Helpline, which now can be reached free of cost 24/7. During that time the organization also started building up its network to other NGOs as well as government and police institutions and set up so-called Support Centers, where women of all ages and castes can receive psychological as well as juridical support.
The NGO’s goal is to improve the living conditions of girls and women and to enable them to enjoy their full rights. Women are still not treated equally and suffer from the patriarchal system, in which men have the dominant position and thus women experience violence and discrimination. That is why Bhumika works to deliver direct support (counseling, help in emergency situations, providing shelter in women’s hostels,) as well as indirect help in the form of Awareness Programs. They try to change the attitudes of people to become more tolerant and want to establish a full equality between men and women, so that women have just the same opportunities to live their lives the way they want to.

The legal basis for women’s rights in India is very advanced. Women have complete equality before the law but in practice this is not always the case. There are special laws which provide a concrete framework for domestic violence cases or consider an expansion of the term “rape” but still, these are often the areas where women suffer the most. At least half of the calls, that Bhumika receives daily through their Helpline have to do with domestic violence according to the organization’s director. The good legal basis is thus not enough to change the actual situation but it is a good and necessary start.

Another point that we dealt with is the “Cycle of Oppression”, that women and girls all over the world but especially here in India are subject to. This model just as other models illustrates generalized circumstances. That means that no all Indian women experience discrimination in this way but rather that parts of it can be found in the lives of the majority of women in India and elsewhere in the world.
The discrimination starts even before birth because it is still common to determine a child’s sex and then kill it in case it is a girl. The early determination of a child’s sex is illegal in India but nevertheless still practiced in many cases.
Once the girl is born she has to deal with several problems during her childhood. She might receive less food, has to help with household chore and does not receive access to education, even though this is also one of her rights by law. Upon reaching puberty, her first menstruation is celebrated. She is now sexually mature and ready to be married. During their period, women are not allowed to enter temples or kitchens and the whole act of bleeding is seen as very impure. Even in liberal, modern families this is still a big conflict.
An immense issue that Bhumika addresses in one of their projects is the forced marriage of under-age girls, which is forbidden by law. A big part of the problem is the dowry, the financial contribution that the girl’s family has to pay to the groom’s family, because it is often so high that it represents an immense strain on the child’s family. This is one of the reasons why girls are seen as burdens to their families all their life. Oftentimes high sums of money, jewelry, farm animals such as cows or goats or even cars are requested, which can lead to the family’s financial ruin. For her family their daughter’s marriage means that she now belongs to a new family. From now on she has to fulfill the typical role of a woman. She cooks, cleans and cares for her husband, her parents-in-law (who typically live in the same household) and later for her children. Many times these girls drop out of school or work and thus do not have a chance to achieve independence anymore.
During our time at Bhumika we learned that many women face a lot of problems with their in-laws. They are sometimes seen as “housemaids” and have to handle a lot of violence. In extreme cases the organization provides spots in women’s hostels, where their children can mostly stay as well. There they receive emotional support, food and oftentimes career counseling in the form of skill building trainings during which special abilities are developed, which enable them to become independent from their families.

Our Interproject Visit to this incredibly inspiring organization gave us lots of food for thought and sparked many lively discussions.
We are women but still, we know fairly little about the legal foundation aimed at serving us, the system, which we are a part of and our designated role in society. Even though we were lucky enough to grow up in a free country such as Germany, we were influenced by expectations regarding the “role of women” in society, mostly through the media. We are expected to be housewife, mother, grandmother, career women and friend. However, also boys and men have to deal with society’s pressure and often suffer from being expected to be masculine and strong, they also have to fulfill certain roles.
But why? Why do we succumb to the expectations of a selected few that are distributed to the mainstream through media and our educational and political system? Why do we let others decide on what’s right for us or not? Why do we let others denounce our capabilities and limit our possibilities in life?
It is so important to ask these questions to ourselves and to see how these circumstances that put us all into boxes, deny us opportunities and in the worst case lead to violence, abuse and suffering, can be changed because women’s rights are human rights and concern everyone. Not only girls but also boys. Not only women but also men. Everyone. We realized how important it is that organizations like Bhumika exist and make such a large contribution towards changing the situations of millions of women but we also realized that it is still a long way until full gender equality is not a visions anymore but reality. Every one of us has to ask themselves how much she/he is part of this patriarchal system and to what extent she/he wants to be.
How important is it for you to be able to choose what you wear, what you say, where you go or who you want to be?
Become active and be the reason why people all over the world can enjoy the same freedom. Change in society only happens once you have changed your own values. So be courageous and think for yourself, question things, discuss and then make up your own mind. Your own idea of beauty and freedom. Don’t let yourself be limited by pressures from society but instead stand up for your rights and live out your possibilities to the fullest.